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Konzeptualisieren und Verbalisieren von Raum – kognitive und sprachliche Bewältigung von Raum in Schülertexten

von Prof. Diana Timova

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[1.] Dt/Fragment 028 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2020-03-08 12:43:06 Schumann
BauernOpfer, Dt, Fragment, Gesichtet, Herrmann Schweizer 1998, SMWFragment, Schutzlevel sysop

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
Schumann
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 28, Zeilen: 1-16,(16-21), 22-27,(27-29), 29-33
Quelle: Herrmann Schweizer 1998
Seite(n): 48, 49, 50, Zeilen: 48: 15 ff., letzte vier Zeilen; 49: 1 ff., 4 ff.; 50: 2 ff.
[Bei der intrinsischen Perspektive des Lokalisierens sind die Position und räumliche Ausrichtung des Sprechers oder Betrachters irrelevant - auch bei Orts- und Richtungsänderungen des Sprechers/Betrachters bleibt die] Zange hinter dem Auto, eben weil das Auto eine Rückseite und eine Frontseite hat und weil das LO an der Rückseite des Autos plaziert [sic] ist.

Diese Unterscheidung des deiktischen und intrinsischen Lokalisierens setzt voraus, dass die BO auch in solche Klassen eingeteilt werden müssen: in Objekte mit intrinsischer Ausrichtung, d.h. mit einer ausgezeichneten Vorder- und Rückseite und andere Objekte ohne eine solche intrinsische Ausrichtung (vgl. dazu Abschnitt 2.1.4). Wenn Objekte eine intrinsische Ausrichtung haben, so können diese unter intrinsischer Perspektive lokalisiert werden, z.B. „die Zange liegt hinter dem Auto“. Die intrinsische Ausrichtung kann aber auch ignoriert werden: liegt die Zange an der Rückseite des Autos, so kann man dennoch eine Betrachterposition wählen und unter deiktischer Perspektive lokalisieren: z.B. "von mir aus gesehen liegt die Zange links vom Auto". In der Regel wird dieser Sachverhalt so interpretiert, dass Objekte ohne ein „inhärentes" Vorn und Hinten nur unter deiktischer Perspektive lokalisiert werden können und Objekte mit "inhärenten" Richtungseigenhaften können, müssen aber nicht in intrinsischer Perspektive lokalisiert werden. [Herrmann/Schweizer (1998: 49) halten diese Auffassung für falsch und die DI-Dichotomie – für „zu wenig präzise und begrifflich zuwenig elaboriert“. Ihrer Meinung nach „besteht der Verdacht, dass die DI-Dichotomie bei der Unterscheidung einer deiktischen und einer intrinsischen Perspektive zwei Unterscheidungskriterien durcheinander wirft“.]

Nach Ehrich (1985: 132) unterscheidet sich die deiktische Äußerung "von mir aus betrachtet liegt der Ball links vom Stuhl" von der intrinsischen Äußerung "der Ball liegt hinter dem Stuhl" dadurch, dass in der ersten Äußerung der Sprecher/Betrachter der Referenzpunkt für die Beschreibung ist und in der zweiten Äußerung die "inhärenten" räumlichen Eigenschaften des Stuhls der Referenzpunkt sind. [Nach Herrmann/Schweizer (1998: 50) unterscheiden sich die beiden Äußerungen dadurch, dass die erste sprecherbezogen und die zweite objektbezogen ist.] Weitere Kritik ist, dass die erste Äußerung auf einen Lokalisationstyp verweist, bei dem man drei Instanzen benötigt, um die Lokalisierung zu realisieren: den Sprecher/Betrachter, den Stuhl und den Ball. Die zweite Äußerung hingegen verweist auf einen Lokalisationstyp, bei dem man mit zwei Instanzen auskommt: mit dem Stuhl und dem Ball. [Die Kritik von Herrmann/Schweizer (ebd.) zu der DI-Dichotomie betrifft also das Fehlen einer Unterscheidung von sprecher- und hörerbezogenen Lokalisationen wie „von mir aus betrachtet" vs. "von dir aus betrachtet". Die Autoren halten diese Sachlage für „eine übrigens beinahe durchgängige psycholinguistische Schieflage: Der Sprecher/Betrachter ist mit einem Stück Welt allein und redet. Der Adressat seiner Rede fehlt. Den Konzeptualisierungen psycholinguistischer Probleme fehlt überwiegend die Berücksichtigung der genuinen Part-[nerbezogenheit des Sprechens“ (Herrmann/Schweizer 1998: 50, Hervorhebung im Original, vgl. dazu auch Graumann/Herrmann 1988).] ]


Ehrich, Veronika (1985): Zur Linguistik und Psycholinguistik der sekundären Raumdeixis. In: Schweizer, Harro (Hrsg.): Sprache und Raum. Stuttgart: Metzler, 130-161.

Graumann, Carl F.; Herrmann, Theo (1988): Other-Relatedness in Language Processing. Journal of Language and Social Psychology 7: 159-168.

Herrmann, Theo; Schweizer, Karin (1998): Sprechen über Raum: sprachliches Lokalisieren und seine kognitiven Grundlagen. 1. Aufl., Bern u.a.: Huber.

[Seite 48, letzte vier Zeilen:]

Bei der zweiten Art des Lokalisierens sind die variable Position und räumliche Ausrichtung des Sprechers oder Betrachters irrelevant: Was sich „hinter dem Auto“ befindet, bleibt auch bei Orts- und Richtungsänderungen des Sprechers/Betrachters

[Seite 49, Z. 1 ff.:]

„hinter dem Auto“, eben weil das Auto eine Rückseite und eine Frontseite hat und weil das zu identifizierende Objekt an der Rückseite des Autos plaziert ist (= intrinsische Perspektive).

[Seite 48, Z. 15 ff.:]

Bis heute wird zur Systematisierung von Lokalisationsvarianten die Unterscheidung des deiktischen und intrinsischen Lokalisierens am häufigsten verwendet.

[Seite 49, Z. 4 ff.:]

Es gibt Objekte mit intrinsischer Ausrichtung (Vorder- und Rückseite) - zum Beispiel Autos, Stühle, Uhren oder Schränke - und andere Objekte ohne eine solche „inhärente“ Ausrichtung - zum Beispiel übliche Kugellampen, Vasen oder Bälle. Haben Objekte eine intrinsische Ausrichtung, so kann diese Ausrichtung (bei intrinsischer Perspektive) für die Lokativwahl verwendet werden. Oder man kann diese Ausrichtung (bei deiktischer Perspektive) ignorieren: Liegt zum Beispiel eine Zange an der Rückseite eines Autos, so kann man dennochbei entsprechender Betrachterposition unter deiktischer Perspektive sagen: „Von mir aus gesehen liegt die Zange links vom Auto.“ - In der Regel wird diese Sachlage so interpretiert, daß Objekte ohne ein „inhärentes“ Vorn und Hinten für die Lokativwahl nur unter deiktischer Perspektive verwendet werden können, eben weil ihnen die „inhärenten“ Richtungseigenschaften fehlen. Objekte mit „inhärenten“ Richtungseigenschaften können zwar, müssen aber nicht in intrinsischer Perspektive lokalisiert werden. Wir werden sehen, daß diese Auffassung falsch ist.

Die DI-Dichotomie erscheint für sprachpsychologische Zwecke unzulänglich. Hierzu einige Anmerkungen: Die DI-Dichotomie ist zu wenig präzise und begrifflich zuwenig elaboriert, als daß man mit ihrer Hilfe zum Beispiel Sachverhalte der folgenden Art theoretisch angemessen rekonstruieren könnte: [...]

[Seite 50, Z. 2 ff.:]

Es besteht der Verdacht, daß die DI-Dichotomie bei der Unterscheidung einer deiktischen und einer intrinsischen Perspektive zwei Unterscheidungskriterien durcheinanderwirft, daß dies nicht bemerkt wird und daß dadurch die tatsächliche Unvollständigkeit dieses taxonomischen Versuchs nicht erkannt wird (vgl. auch Herskovits, 1985): Die deiktische Äußerung: „Von mir aus betrachtet liegt der Ball links vom Stuhl.“ unterscheidet sich zum einen von der intrinsischen Äußerung: „Der Ball liegt hinter dem Stuhl.“ dadurch, daß in der ersten Äußerung, wie sich Ehrich (1985, S. 132) ausdrückt, der Sprecher/Betrachter der Referenzpunktfür die Beschreibung ist; in der zweiten Äußerung sind die „inhärenten“ Raumeigenschaften des Stuhls der Referenzpunkt. Die erste Äußerung ist also sprecherbezogen, die zweite ist objektbezogen. Und die erste Äußerung verweist auf einen Lokalisationstyp, bei dem man drei Instanzen benötigt, um die Lokalisierung zu realisieren: den Sprecher/Betrachter, den Stuhl und den Ball. Die zweite Äußerung hingegen verweist auf einen Lokalisationstyp, bei dem man mit zwei Instanzen auskommt: mit dem Stuhl und dem Ball.

Die DI-Dichotomie berücksichtigt nicht die Unterscheidung von sprecher- und hörerbezogenen Lokalisationen: „von mir aus betrachtet ...“ vs. „von dir aus betrachtet...“. Besonders diese Unterscheidung hat sich inzwischenals heuristisch nützlich herausgestellt (s. unten Abschnitt 3.4, vgl. auch Graf, 1989; Herrmann, Bürkle & Nirmaier, 1987). Wir befürchten, daß demgegenüber die Unterscheidung, die noch am ehesten im Sinne der DI-Dichotomie realisierbar ist (vgl. Abb. 2.1) - „Von mir aus betrachtet liegt die Zange links vom Auto." (= deiktisch) vs. „Die Zange liegt hinter dem Auto.“ (= intrinsisch) - weniger vielversprechende und weniger haltbare sprachpsychologische Befunde erbracht hat.

In der DI-Dichotomie manifestiert sich schlußendlich eine übrigens beinahe durchgängige psycholinguistische Schieflage: Der Sprecher/Betrachter ist mit einem Stück Welt allein und redet. Der Adressat seiner Rede fehlt. Den Konzeptualisierungen psycholinguistischer Probleme fehlt überwiegend die Berücksichtigung der genuinen Partnerbezogenheit des Sprechens (vgl. Graumann & Herrmann, 1988).


Ehrich, V. (1985). Zur Linguistik und Psycholinguistik der sekundären Raumdeixis. In H. Schweizer (Hrsg.), Sprache und Raum. Psychologische und linguistische Aspekte der Aneignung und Verarbeitung von Räumlichkeit. Ein Arbeitsbuch für das Lehren von Forschung (S. 130-161). Stuttgart: Metzler.

Graf, R. (1989). Partnerbezogene Lokalisationen im Interkulturvergleich. Unveröffentl. Diplomarbeit. Universität Mannheim: Lehrstuhl Psychologie II.

Graumann, C. F. & Herrmann, Th. (1988). Other-relatedness in language processing. Journal of Language and Social Psychology, 7, 159-168.

Herrmann, Th., Bürkle, B. & Nirmaier, H. (1987). Zur hörerbezogenen Raumreferenz: Hörerposition und Lokalisationsaufwand. Sprache & Kognition, 6, 126-137.

Herskovits, A. (1985). Semantics and pragmatics of locative expressions. Cognitive Science, 9, 341-378.

Anmerkungen

Fortsetzung von Fragment 027 09.

Die eigentliche Quelle ist zwar mehrfach genannt (darunter für drei wörtliche Zitate), gleichwohl bleibt unklar, dass der gesamte Inhalt der Seite daraus - teils (ungekennzeichnet) wörtlich - übernommen wurde.

Drei (siehe eckig eingeklammerte) Passagen gehen konservativ nicht mit in die Zeilenzählung ein.

Sichter
(Schumann), SleepyHollow02



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