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Forum: Übersicht > Anmerkungen zu den Themen Text-Recycling, fachliches Grundwissen und Paraphrase
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Sehr geehrte Damen und Herren,


da ich in letzter Zeit immer mehr den Eindruck bekommen habe, dass an einigen Stellen etwas Bedarf an Aufklärung vorliegt, habe ich mich entschlossen, diesen Beitrag zu verfassen. Ich bitte die Administratoren, diesen Beitrag im Forum zur allgemeinen Diskussion freizugeben.

Damit Sie den Hintergrund meiner anonymen Person etwas besser einschätzen können: Ich bin promovierter Wissenschaftler aus dem MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Technik, Naturwissenschaften). Ich lade hiermit aber auch Vertreter aller anderen Wissenschaften zur kritischen Diskussion ein! Denn je nach Fachbereich mögen ja verschiedene Sichtweisen oder Standards gelten.


Nun aber zur Sache:


1. Zum Thema Text-Recycling:

Fast alle mir bekannten promovierten MINT-Kollegen haben bereits vor Fertigstellung der eigentlichen Dissertation Auszüge und / oder Ergebnisse daraus vorab in Fachzeitschrifte mit Peer-Review Verfahren veröffentlicht. Das ist legitim, ja sogar erwünscht. Ich zitiere aus einer Promotionsordnung der Uni Düsseldorf:

"[...] Vorveröffentlichungen wichtiger Dissertationsergebnisse sind erwünscht, erfordern allerdings die Zustimmung der Betreuerin oder des Betreuers. [...]"
[ http://www.math-nat-fak.uni-duesseldorf.de/Ordnungen ]

Ähnliche Paragraphen finden sich auch in anderen mir bekannten Promotionsordnungen. Bei der Uni Konstanz z.B. findet man in der allgemeinen Promotionsordnung:

"Die Fachspezifischen Regelungen können festlegen, dass mehrere zusammenhängende Arbeiten des Bewerbers als Dissertation eingereicht werden können, wenn die Anforderungen der Absätze 1 und 2 erfüllt sind und im Fall gemeinsamer Forschungsarbeit die individuelle Leistung des Bewerbers deutlich abgrenzbar und bewertbar ist."
[ http://www.studium.uni-konstanz.de/studienangebot/promotion/ ]

Meine Schlussfolgerung: Sie sollten sich davor hüten, recycelten Text aus eigenen Publikationen als Plagiat einzustufen. Sofern die entsprechende Promotionsordnung nicht explizit eine vorab-Publikation verbietet, ist es erlaubt, wenn die Gutachter dem zustimmen. In MINT-Fächern gilt es regelrecht als Qualitätssiegel, wenn man liest: "Teile dieser Arbeit / dieses Abschnittes etc. findet man veröffentlicht in [liste der peer-reviewed papers]" Der Betreuer der Dissertation ist so gut wie immer Co-Autor der entsprechenden Publikationen, der auch weiß, welchen Beitrag eventuelle weitere Co-Autoren geleistet haben. Eine Täuschung ist in so einem Fall also unwahrscheinlich.

Obiges Vorgehen ist so weit verbreitet, dass die entsprechenden Fachverlage in den Copyright-Richtlinien sogar annähernd einheitliche Klauseln für die Wiederverwertung von publiziertem Material in Akademischen Arbeiten haben, hier nur ein Beispiel eines großen Verlages:

"As a journal author, you retain rights for a large number of author uses [...]. These include:
o [...];
o the right to include the journal article, in full or in part, in a thesis or dissertation;
o [...]."
[ http://www.elsevier.com/wps/find/authorsview.authors/copyright ]


2. Zum Thema fachliches Grundwissen.

Mir ist aufgefallen, dass Sie so ziemlich jeden Satz, der vor der untersuchten Dissertation bereits irgendwo ähnlich publiziert wurde, als Plagiat einstufen, unabhängig vom Inhalt. Dabei gilt z. B. nach Professor Dr. Althaus [ http://w-wie-wissenschaft-wildau.blogspot.com/2011/05/allgemeinwissen-in-der-arbeit-zitieren.html ]:

"Allgemeinwissen muss man nicht zitieren. [...]. In einer Arbeit wie oben dürfen auch Fachinhalte vorausgesetzt werden. [...] Zum Beispiel: 'Die Kopenhagener Kriterien bestimmen seit 1993 die Bedingungen für eine Vollmitgliedschaft in der EU.' Das steht so oder ähnlich in -zig Quellen. Sie [die Studentin] darf es dennoch ohne Beleg so schreiben."

In meinem MINT-Umfeld gilt (auch nach dem Fall zu Guttenberg) sogar die Richtlinie, dass sogenanntes Lehrbuchwissen, also Wissen, das man bis zum Diplom / Master Abschluss gelernt hat oder als Teil eines Diplom / Master Studienganges angesehen werden kann, ohne Zitat / Fußnote in Dissertationen benutzt werden darf. Man hat ja (hoffentlich) studiert, damit man dieses Wissen in sich trägt und auch anwenden kann! Eine MINT-Dissertation ist eben ein Text von einem MINT-Experten an MINT-Experten. Leute, die kein MINT-Fach studiert haben, können wahrscheinlich sowieso nichts mit einer hoch-mathematischen Abhandlung anfangen. Und diejenigen Leute, die eine MINT-Dissertation lesen und verstehen können, wissen auch klar was als Grundlagenwissen angesehen werden darf.

Wenn ich z. B. aus dem Gedächtnis schreibe (ich habe wirklich nirgends gespickt, zum ersten Mal lernte ich so etwas im 2. Semester)

"Eine reelle Punktmenge M heißt konvex, denn die Verbindungsstrecke zweier Elemente von M stets eine Teilmenge von M ist"

Sie werden diese mathematische Definition in Lehrbüchern oder mathematischen Handbüchern finden, und die Formulierungen werde sich nicht sehr stark voneinander unterscheiden. Geben Sie einfach einmal "konvexe Menge" bei Google ein und überzeugen Sie sich selbst davon. Dennoch wäre obiger Satz nicht als Plagiat zu werten in einer MINT-Dissertation, auch wenn einem mathematisch weniger gebildeter Menschen dies so erscheinen mag, weil es sehr speziell klingt. Sie werden zudem den obigen Satz nicht unendlich oft paraphrasieren können, ohne a) die mathematische Bedeutung zu ändern oder b) den Satz kryptisch / unschön erscheinen zu lassen.

Zum Thema Lehrbuchwissen siehe auch:
[ http://www.meduniwien.ac.at/studienabteilung/content/studium-lehre/studierendenberatung/plagiatpruefung-an-der-meduni-wien/was-ist-ein-zitat/wozu-zitieren/ ]


3. Zum Thema Paraphrase.

Es ist auffallend, dass Sie sogar Paraphrasen oft schon als Plagiat werten. Die Wiedergabe von reinen Fakten zum Beispiel ist Urheberrechtlich nicht geschützt, siehe

[ http://plagiat.htw-berlin.de/faq/plagiate-in-der-hochschule/ ].

Wenn dem so wäre, dann könnten ja nicht zwei unterschiedliche Zeitungen über die Selbe Tatsache berichten. Das wäre eine fatal!

Schließlich lade ich Sie herzlich dazu ein, sich das Interview mit dem Plagiats-Experten Dr. Stefan Weber anzuhören. Er gibt klare Empfehlungen auch für die Ausrichtung Ihres Wikis.

[ http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1516543/ ]


Mit den obigen Beispielen möchte ich Sie davor warnen, aufgrund fehlender Informationen über die gängige wissenschaftliche Praxis einzelner Fachgebiete zu ungerechtfertigten Anschuldigungen zu kommen. Denn selbst bei einem "Freispruch" seitens der Uni kann der Ruf der beschuldigten Person stark leiden. Ich finde, dies gilt es zu verhindern, zudem auch Sie nur dadurch langfristig Ihre Glaubwürdigkeit bewahren können. Ich wage es zudem zu behaupten, dass kein Mensch alleine in der Lage ist in allen Fachgebieten Plagiate beurteilen zu können. Ich kann auch nicht beurteilen, was z.B. in der Psychologie als Allgemeinwissen angenommen werden darf! Dr. Stefan Weber empfiehlt Ihnen im oben verlinktem Interview, sich auf die "Glasklaren Fälle" a la Guttenberg zu konzentrieren.


Mit freundlichen Grüßen
MINT-Forscher

93.209.149.17 21:55, 2. Aug. 2011 (UTC)

Sehr geehrter MINT-Forscher,
Erst mal vielen Dank fuer diesen durchdachten Beitrag. Sie sprechen da in der Tat Punke an, die den Grenzbereich zwischen "Plagiat" und "gerade-noch-nicht-Plagiat" definieren, und die hier immer wieder diskutiert werden sollten. Lassen Sie mich kurz Punkt fuer Punkt meine Sichtweise darstellen:
1. Eigenplagiate / Text-Recycling:
Meine Erfahrung als MINT Forscher deckt sich mit ihrer -- die Beispiele die sie schildern sind natuerlich in keiner Weise verwerflich, und nicht als Plagiate zu werten (insbesondere, wenn das Recycling ja transparent dokumentiert ist). Auch auf anderen Forschungsgebieten, wo moeglicherweise Textrecycling negativer gesehen wird, werden Eigenplagiate niemals als so eindeutig verwerflich angesehen wie Fremdplagiate. Aus diesem Grund klassifiziert VroniPlag Eigenplagiate auch nicht als Plagiate (die Dissertation von Jg ist z.B voll con ungekennzeichneten Uebernahmen aus eigenen Veroeffentlichungen -- aber diese sind nicht in Fragmenten dokumentiert). Der Fall Sh ist hier der einzige Grenzfall. Dort wurden woertliche Uebernahmen aus einer Publikation ohne genannten Autor als Plagiat klassifiziert, obwohl sich Sh in seinem im Internet geposteten Veroeffentlichungsverzeichnis als Co-Autor outet (nicht aber in der Dissertation -- dort im Literaturverzeichnis ist die Quelle auch ohne Autor aufgefuehrt). Dieser Sachverhalt wurde in jedem Fragment klar dokumentiert, so dass keine Missverstaendnisse aufkommen sollten. Abgesehen von dieser Uebernahme finden sich noch seitenweise andere (Fremd-)Plagiate in der Dissertation von Sh.


2. Fachliches Grundwissen:
Auch hier bin ich auf ihrer Seite, ihr Beispiel ist natuerlich auch bei woertlicher Uebernahme kein Plagiat und wuerde hier auch nicht als eines bewertet. Die Frage ist, wuerden das die Wiki-Autoren auch so entscheiden koennen, da sie ja nicht in allen Faechern Spezialisten sein koennen? Ja, da ist was dran, da mag es Grenzfaelle geben, die trotz oft langwieriger Diskussionen im Wiki noch falsch als Plagiate eingeordnet werden. Trotzdem glaube ich, dass Sie eine ueberraschend kleine Fehlerquote in den dokumentierten Fragmenten sehen werden, aus verschiedenen Gruenden:
  • es muessen sich immer mindestens 2 Leute ein Fragment anschauen bevor es "geprueft" ist und im Wiki haben wir User aus den verschiedensten Fachgebieten (auch wenn man eine gewisse MINT-Tendenz ausmachen kann)
  • bisher sind nur Dissertationen in nicht-MINT Faechern untersucht worden, insbesondere Politikwissenschaft und verwandte Faecher: dort, wage ich zu behaupten, tritt der Effekt eines "woertlich fixierten Grundwissens" wie in dem Fall den sie oben beschreiben, viel weniger auf -- und sogar in der Mathematik beschraenkt sich solches Grundwissen meist wohl auf kuerzere Textabschnitte: die meisten hier dokumentierten Textabschnitte sind allerdings meist laenger. Dass die Wiedergabe von Gesetzestexten und Gerichtsurteilen ohne Zitierung in den Rechtswissenschaften akzeptabel sein kann, hat sich auch schon herumgesprochen.
  • es besteht bei vielen Usern eine gewisse Tendenz, Plagiate nur sehr konservativ als solche zu kennzeichnen. Da mag es Ausnahmen geben, ich zumindest rechne mich zu dieser Fraktion: der Einzeiler, der nachweislich woertlich aus Wikipedia stammt, ist den meisten hier kein Fragment wert.


3. Thema Paraphrase:
Ich glaube nicht, dass reine Paraphrasen hier als Plagiatsfragmente klassifiziert werden, wenn der Urheber des Gedankens genannt ist. Was jedoch haeufiger passiert ist, dass innerhalb einer Paraphrase, eine laengere, eindeutig woertliche Uebernahme zu finden ist, die dann eben nicht mehr als Paraphrase zu werten ist. Natuerlich ist hier der Uebergang fliessend, und es ist schwer eine Grenze zu ziehen. In diesem Spannungsfeld wuerde ich mir auch oft generell ein noch konservatives Vorgehen im Wiki wuenschen, aber im Endeffekt muss man da jedes Fragment einzeln diskutieren, und oft ist bei genauerem Hinsehen das Plagiat dann eben doch eindeutig.
Sie haben die beiden exponiertesten Plagiats-Experten in Deutschland jeweils per Link zu Wort kommen lassen. Zu diesen Links meine Meinung: Frau Weber-Wulff's FAQ finde ich sehr erhellend und hilfreich -- ich sehe ihre Antworten aber nicht im Gegensatz zu der Arbeit im Wiki -- immerhin ist Frau Weber-Wulff dort auch als WiseWoman aktiv. Auch kann ich Herrn Weber verstehen, dass er sich auf die extremen Faelle a la Guttenberg zurueckziehen will, aber ich sehe das eher als seine Privatmeinung, die einerseits sehr neu, und andererseits im Zusammenhang mit dem "Woeller Outing " zu sehen ist und seiner zunaechst sehr forschen Art, mit dem Fall Woeller umzugehen. Damit allerdings hatte Vroniplag nichts zu tun.
Abschliessend noch einmal Danke fuer ihren Denkanstoss, ich wuerde mich freuen, wenn wir sie hier fuer die Detailarbeit gewinnen koennten, gerne auch als kritische und vorsichtige Stimme.
Mit besten Gruessen Hindemith 23:45, 2. Aug. 2011 (UTC)
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Sehr geehrter MINT-Forscher,
zumindest der erste von Ihnen aufgeführte Punkt wurde bereits an anderer Stelle im Forum ausführlich diskutiert, siehe http://de.vroniplag.wikia.com/index.php?title=Forum:Ist_die_Verwendung_eigener_Textbausteine_ein_Plagiat%3F&t=20110731064440 . Wie aus meinem dortigen Beitrag zu entnehmen ist, sind wir da auf gleicher Linie. MfG, Dr. Simplicius 05:21, 3. Aug. 2011 (UTC)
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Lieber Hindemith,
nachdem Du mich in Deiner Antwort erwähnst ("Privatmeinung", "forsche Art"), erlaube ich mir auch eine persönliche Antwort, zumal ich hier schon auch eine gewisse Kritik rauslese.
Die "forsche Art" habe ich von Anfang an mit VroniPlag in meinem Blog praktiziert, aber immer als unterstützender Gestus, weil ich das Projekt toll fand und finde. Ich wurde mehr als einmal in meinem Blog sachte zurückgepfiffen, etwa Fall "Sl", um es in Eurer Terminologie zu schreiben, und habe dann immer auch darauf Rücksicht genommen. Bei Haller und Wöller war das zugegebenermaßen anders, weil ich selbst seit einigen Jahren in Dresden lebe und Fälle mit Regionalbezug als besonders interessant empfand. Diese Berücksichtigung der Nachrichtenfaktoren, wenn man so will, mag man kritisieren, und ich habe diese Kritik auch angenommen, indem ich etwa die Anspielung auf Wöller in meinem Blog (die wohl Stein des Anstoßes für die lokalen Medien war) wieder gestrichen habe.
Soweit dazu, nun noch zwei Punkte zur eigentlichen Diskussion:
1) Ich denke, die Kritik des MINT-Forschers trifft auf die Fälle von VroniPlag nicht zu, da hier bislang keine naturwissenschaftlichen Dissertationen analysiert wurden. Falls dies passieren sollte, werden hier wohl auch andere Kriterien angewandt werden - etwa, was die Frage des "Autoplagiats" anbelangt. Aber ich denke, das weiß hier jeder, und der Unterschied zwischen der Wiederveröffentlichung eines eigenen Papers in einer Diss und dem geringfügigen Umschreiben älterer Werke mit uneindeutiger Autorschaft wurde ja auch erwähnt. Allerdings möchte ich anmerken - und das mag jetzt wieder eine "Privatmeinung" sein -, dass ich die Integration von Papers mit mehreren Autoren in die Diss eines einzelnen, wenn es denn gehäuft auftritt, auch als problematisch empfinde (das sehen Naturwissenschaftler mitunter nicht so).
2) Was mich im Moment mehr bewegt, ist (nicht erst seit Haller und Wöller, sondern schon seit Althusmann) die Frage, inwieweit wir es hier (das ist nur eine Hypothese!) vielleicht ernstlich mit Menschen zu tun haben, die den "Auftrag" zum Umschreiben bzw. Plagiieren von ihren Universitäten bekommen haben, weil die Arbeitstechniken falsch vermittelt wurden. Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, dass überhaupt keine Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten erfolgte (sie also irregeleitete Autodidakten sind). Dass das bei Haller extrem verwundert, steht auf einem anderen Blatt...
Als ich das Problem identifizierte, im Sommer 2002, entdeckte ich einen Lehrbehelf, der zum Plagiat anleitete. Da waren nicht nur die Studenten die "Dummen" oder "Bösen", sondern es wurde ihnen von einem gänzlich inkompetenten LV-Leiter alles falsch beigebracht. Die Methode "Schreibe 1-2 Wörter um, dann darfst Du mit 'Vgl.' belegen" wurde den Studenten als 'besonders wissenschaftliche', weil eben fast am Text kleben bleibende Arbeitsmethode verkauft. Ich frage mich im Moment, ob das ausreichend berücksichtigt wird, freilich vor allem in der medialen Darstellung. Und da ist für mich etwas "gekippt". Klar ist, dass bei den Fällen Guttenberg und Koch-Mehrin auch diese zu Recht im Rampenlicht standen. Bei den letzten Fällen (so ab Haller) sollten es vielleicht eher die Begutachter sein oder die an den betreffenden Universitäten die wissenschaftlichen Arbeitstechniken Vermittelnden (wenn es die denn gibt), die in der Öffentlichkeit stehen sollten - und für die es (auch) Konsequenzen geben sollte.
Ich bin mir dessen bewusst, dass dieses Argument nicht ungefährlich ist, weil es sofort wie eine Rechtfertigung und Verharmlosung des Plagiarismus klingt. Aber mir schwirren immer wieder die Worte eines österreichischen Institutsvorstandes im Kopf herum, als ich 2002 entdeckte, was hier in der Lehre schief gelaufen ist: "Die Studenten san goa ned so deppad, es wurde ihnen foisch beigebracht."
LG Antiplag01 06:36, 3. Aug. 2011 (UTC)
Lieber Antiplag01, bei SH sieht es ganz so aus - folgt man den Ausführungen, die dieser in der Pressekonferenz v. 25.7.2011 vorgetragen hat -, daß hier eine deutliche Mitverantwortung für die in Teilen eigenplagiierende Arbeitsweise des Verfassers gesehen werden kann. Allerdings ist auffällig, daß dieser laxe Umgang mit den Prinzipien von Zitation und Referenz offensichtlich vom Autor auch auf den Umgang mit Fremdtexten übertragen wurde - und spätestens hier endet die Mitverantwortung der Institution. Aber schon meine eigene Bezugnahme auf ein Interview außerhalb des Wikis zeigt hier ein methodisches Problem, dem wir uns stellen müssen: Im Wiki können wir nur Textähnlichkeiten und Referenzierungen auf Quellen dokumentieren und kategorisieren. Was wir nicht dokumentieren können, sind die evtl. Absprachen zwischen Verfasser und Universität, auf die sich z.B. auch JG beruft:
"Natürlich habe er [JG] eigene alte Aufsätze und Texte in die Doktorarbeit einfließen lassen, er könne darin nichts Falsches erkennen, zumal er die TU darüber vor Verfassen der Arbeit informiert habe. Den Vorwurf des Selbst-Plagiats könne er nicht nachvollziehen."[1]
Mich irritieren solche Äußerungen erheblich. Sie offenbaren ein Verständnis der Erstellung von Dissertationsschriften, in der es neben dem publizierten Text ebenfalls wie auch immer geartete "Privatabsprachen" mit den Gutachtern zu geben scheint, die allerdings nirgends transparent ausgewiesen sind, sondern allenfalls von den Beteiligten behauptet oder bestritten werden können. Meinem Verständnis wissenschaftlicher Praxis widerspricht diese Verfahrensweise in erheblichem Maße. Ich denke Ihrem ebenfalls. Und folglich stimme ich Ihnen zu: Hier sind die Universitäten in die Verantwortung zu nehmen und die beteiligten Gutachter. Das entbindet jedoch den Verfasser nicht von seiner Verantwortung für seinen Text. KayH 07:03, 3. Aug. 2011 (UTC)
Ich habe auch den Eindruck, dass die "Traditionen" der Dissertationsbegutachtung von Institution zu Institution stark abweichen. In sofern war es für mich sehr interessant, das Gutachten zur Diss von KTzG zu lesen, das im Rahmen der Begründung der Entziehung veröffentlicht wurde.
Das Gutachten begann mit einer sehr ausführlichen Würdigung der persönlichen Verhältnisse und sonstigen Verpflichtungen des Diss-Autors. Bis zu dem Zeitpunkt hätte ich mir im Traum nicht ausmalen können, sowas in einem Dissertationsgutachten zu finden. An meinem Fachbereich wurde das eigentlich immer sehr analog zur Begutachtung von Zeitschriftenartikeln gehandhabt: Sehr nah am vorliegenden Text, ohne jegliche Betrachtung des Privatlebens oder nicht in der Diss dokumentierter wissenschaftlicher oder ausserwissenschaftlicher Leistungen des Doktoranden.
Da man diese Traditionen nicht kennen kann, schlage ich vor, die hier betrachteten Texte völlig losgelöst von ihrer Eigenschaft als Dissertation lediglich als wissenschaftliche Veröffentlichung anzusehen, was sie ja auch sind.
87.139.137.52 10:53, 3. Aug. 2011 (UTC)
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Die Privatabsprachen gibt es und sie machen meiner Ansicht nach auch Sinn. Eine Dissertation ist meinem Verständnis nach eine Prüfung und der Nachweis eines Qualifikationsniveaus. Sie zeigt, dass der/die Verfasser/in in der Lage ist weitgehend selbständig zu forschen (= Post-Doc). Wenn nun eine Person dies in zahlreichen Publikationen gezeigt hat, dann ist es imho durchaus legitim zu sagen, sie solle die vorhandenen Texte "zusammentackern" und als Diss abgeben. Seit kumulative Dissertation in zahlreichen Promotionsordnungen erlaubt sind, ist dies auch offiziell erlaubt - zuvor war es häufig auf Basis von Absprachen mit den beteiligten Professoren möglich. Das Problem bei vielen vroniplag Fällen war aber bisher, dass es gar keine Absprachen zwischen den Beteiligten gab (im Sinne "Lieber Betreuer, ich kopiere mal alles wild aus anderen Quellen zusammen...."); die Fälle waren recht eindeutige Plagiate - mit den aktuellen Eigenplagiaten wird es aber komplizierter. --Serbe 10:13, 3. Aug. 2011 (UTC)
Soweit mir bekannt, unterliegen kumulative Dissen eindeutigen Regelungen in den Promotionsordnungen rsp. in "Ausführungsbestimmungen" zu ebendiesen. Mal als beliebiges Beispiel diese an der Uni Bremen. Es geht hier also nicht um Privatabsprachen der Art, die z.B. SH sinngemäß nahelegt: 'Ich bin gefragt worden, ob ich da nicht irgendwas in der Schublade liegen habe - egal wie alt, egal was -, das ich einfach zusammenschrauben kann mit irgendwelchen Texten, die ich in der Schublade von anderen gefunden habe. Promotion ist eh garantiert.' Gegen kumulative Dissen ist nichts einzuwenden - sofern sie transparent als ebendiese ausgewiesen sind. Das ist weder bei SH noch bei JG der Fall. Und von daher verstehe ich zumindest nicht recht, wie man das so grob vermischen kannst, wie Du es nun nahelegst. KayH 10:32, 3. Aug. 2011 (UTC)