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Film und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Propaganda als Medienrealität im Aktualitäten- und Dokumentarfilm

von Ulrike Oppelt

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[1.] Uo/Fragment 155 01 - Diskussion
Zuletzt bearbeitet: 2013-08-11 16:45:52 Hindemith
BauernOpfer, Culbert 1994, Fragment, Gesichtet, SMWFragment, Schutzlevel sysop, Uo

Typus
BauernOpfer
Bearbeiter
Graf Isolan
Gesichtet
Yes
Untersuchte Arbeit:
Seite: 155, Zeilen: 1-28, 30-39, 101-104
Quelle: Culbert 1994
Seite(n): 210, 211, 212, 213, Zeilen: 210: re.Sp. 20-50 - 211: li.Sp. 1-6.11-14.26-30, re.Sp. 22-38; 212: li.Sp. 1-14.48-50 - re.Sp. 1-3.7-10.(20-30).31-38 - 213: li.Sp. 1-29
[Allergrößte Bedeutung erhielt der Film jedoch in einem völlig anderen Bereich, bei der Bekämpfung der] Geschlechtskrankheiten.255 In einer Zeit, da das Penicillin noch nicht erfunden worden war, wurde ein enormer Ausfall an Soldaten befürchtet. Auch befürchtete man, dass eine hohe Rate an Geschlechtskrankheiten zu Hause den Eindruck erwecken könnte, die Soldaten der American Expeditionary Force - Doughboys genannt - seien ihren Frauen oder Freundinnen untreu. Den Französinnen wurden besondere sexuelle Fähigkeiten nachgesagt, mit denen sie die Moral der Soldaten unterhöhlen könnten. Die puritanische Besessenheit in der Warnung vor den Geschlechtskrankheiten verbarg die Angst vor Veränderungen gesellschaftlicher Konventionen. Nicht zufällig wurde 1917 das legendäre Storeyville, der Rotlichtbezirk von New Orleans und die Wiege des Jazz geschlossen, um die staatlichen Programme strenger Abstinenz besser zu kontrollieren. Aus amerikanischen Sicht war der Krieg zu kurz, um ein echtes Kriegsfilm-Genre zu entwickeln. Kein einziger Spielfilm256 mit einer ausgesprochen propagandistischen Aussage hat während des Weltkrieges das Denken der Filmemacher beeinflusst oder ihre Kunst verändert. Obwohl der Krieg die meisten Studios und Regisseure wenig interessierte, wurde dennoch eine Reihe hasserfüllter Filme produziert. Hierin wurden die Deutschen als Inkarnation des Teufels dargestellt, wie z. B. in dem Film MY FOUR YEARS IN GERMANY unter der Regie von William Nigh, hergestellt von First National Pictures (später Warner Brothers). Der Film wurde ein Kassenerfolg. Er basierte auf den Erinnerungen des New Yorker Politiker James Gerard. Dieser wurde 1913 von Wilson zum amerikanischen Botschafter in Berlin ernannt und im Februar 1917 zurückgerufen. Sein schlecht geschriebenes und recherchiertes Buch wurde in Amerika ein Bestseller. In England kam dieses Buch ebenfalls auf den Markt und wurde von der Kritik als zutreffend für die Zustände in Deutschland gelobt. Die zeitgenössische Kritik sah in dem Film ein beeindruckendes Beispiel für das Verhältnis zur Historie, da er der einzige Spielfilm von 1917/18 war, der vorgab, dokumentarischer Bericht aktueller politischer Ereignisse zu sein. Die Tendenzen des Films kamen den Wünschen und Erwartungen der militanten Zuschauer in Amerika sehr entgegen.257

Sein krasses Gegenstück war der von Charlie Chaplin 1918 produzierte Film SHOULDER ARMS. Diese hervorragende Satire auf den Grabenkrieg hatte ihre größten Zuschauerzahlen leider erst nach Ende des Krieges. Der Film, der mit dem größten Aufwand produziert wurde und auch eine große Zuschauerschaft fand, war 1918 D. W. Griffiths HEART OF THE WORLD mit Lilian Gish in der Hauptrolle. Griffith wollte mit seinem Film zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen beitragen. Er reiste über England nach Frankreich, um Dokumentarisches über den Krieg zeigen zu können. Es wurde viel gedreht, aber nie gezeigt. Brutale Szenen vom Grabenkrieg wurden später in Kalifornien in den Schützengräben der Lasky-Ranch gedreht oder man kaufte sie von Frank Kleinschmidt, der [tatsächlich an der Front in Frankreich gewesen war.258]


255 Der erfolgreiche Einsatz des Films für dieses Thema hilft beim Verständnis des breiten Einsatzes solcher Lehrfilme für amerikanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg.

256 Allgemeine Informationen über den Spielfilm findet man im American Film Institute Catalog: Feature Films, 1911-1920.

257 Vgl. Culbert: Der amerikanische Film, in: Tage der Menschheit, hrsg. von R. Rother, 1994. S. 212.

258 [...]

[Seite 210]

Dieser Einsatz von Filmen mag uns trivial erscheinen, aber für Truppenkommandeure jener Tage war er das nicht. In einer Zeit, da das Penicillin noch nicht erfunden war, befürchteten sie einen enormen Ausfall an Männern und hatten, wie General Pershing, Angst davor, daß eine hohe Rate an Geschlechtskrankheiten Frauen zu Hause davon überzeugen könne, die Soldaten der American Expeditionary Force - Doughboys genannt - seien ihren Frauen oder Freundinnen untreu, da ihre Moral von all den französischen Frauen unterhöhlt wurde, denen man magische sexuelle Fähigkeiten nachsagte. Hinter dieser puritanischen Besessenheit vor der Gefahr von Geschlechtskrankheiten verbarg sich gewiß die Angst vor einer Veränderung der gesellschaftlichen Konventionen. Es war durchaus kein Zufall, daß der berüchtigte Rotlichtbezirk von New Orleans, das legendäre Storeyville, mit seiner Verbindung zur Entwicklung des Jazz, 1917 ständig geschlossen wurde, um den amerikanischen Matrosen in New Orleans den Zutritt zu etwas zu verwehren, was Staatsdiener mit Programmen, die zu strenger Abstinenz aufriefen, zu kontrollieren hofften. Als didaktisches Mittel, den Soldaten bestimmte mechanische Fertigkeiten oder

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die unterschiedlichen militärischen Ränge beizubringen, spielte der Film im Ersten Weltkrieg eine untergeordnete Rolle, doch bei der Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten wurde ihm große Bedeutung beigemessen.6

[...] Vom amerikanischen Standpunkt aus war der Krieg zu kurz, um ein echtes Kriegsfilm-Genre zu entwickeln. [...] Dagegen hat kein einziger Spielfilm des Weltkrieges mit einer ausgesprochen propagandistischen Aussage das Denken der Filmemacher über ihr Metier oder ihre Kunst radikal verändert.

[...]

Über den Spielfilm allgemein kann man sich in dem erschöpfenden >American Film Institute Catalog: Feature Films, 1911—1920< informieren, und man wird feststellen, daß der Krieg die meisten Studios und Regisseure nur wenig interessierte. Der Krieg führte allerdings zur Produktion einer Reihe von haßerfüllten Filmen, deren dramatischer Wert darunter leidet, daß die Deutschen nicht einfach nur in den schwärzesten Farben sondern als die Inkarnation des Teufels überhaupt ausgemalt werden. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Film >My Four Years in Germany<, Regie William Nigh, herausgebracht von First National Pictures (später Warner Brothers).

[Seite 212]

James Gerard war ein New Yorker Politiker, der 1913 von Wilson zum amerikanischen Botschafter in Deutschland ernannt wurde. Gerard blieb in Berlin, bis er im Februar 1917 zurückgerufen wurde. Anschließend veröffentlichte er seine Memoiren >My Four Years in Germany<, die ein Bestseller wurden.9 Ein schlecht geschriebenes Buch, für das ungenügend recherchiert wurde und das wenig an Erkenntnissen vorweisen kann, und doch war es 1917-18 ein enormer Erfolg. Das Buch wurde sofort auch in England rezensiert und auf den Markt gebracht. [...]

Es ist daher bemerkenswert, was die zeitgenössische Kritik in >Photoplay< sagt und keineswegs untypisch: »ein beeindruckendes beeindruckendes Beispiel für das Verhältnis zwischen Film und zeitgenössischer Geschichte [...]« Dies ist der einzige erfolgreiche Spielfilm von 1917-1918, der vorgibt, ein dokumentarischer Bericht aktueller politischer Ereignisse zu sein. [...] Daß so ein Film den Kritikern als nüchtern und ausgewogen erscheint, läßt auf die angeheizten Erwartungen der Zuschauer an der Heimatfront im Amerika des Ersten Weltkrieges schließen. Als der Film am 10. März 1918 in New York City uraufgeführt wurde, war auch Botschafter Gérard unter den Zuschauern. Als die Aufführung zu Ende war, wurde er aufgefordert, eine Rede zu halten - so militant waren die Zuschauer.11

Für Filmenthusiasten ist Charlie Chaplins Film >Shoulder Arms< (1918), diese hervorragende Satire auf den Grabenkrieg, von bleibendem Reiz. Aber dieser Film war nicht der große Erfolg des Jahres 1918, er hatte seine größten Zuschauerzahlen nach dem Ende des Krieges. Der Spielfilm, der den größten Ge-

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samtaufwand repräsentiert und der tatsächlich eine große Zuschauerschaft fand, war D. W. Griffiths >Hearts of the World< (1918) mit Lillian Gish. Russell Merritts ausgezeichneter Artikel über diesen Film zeigt, daß alles mit Griffiths brennendem Wunsch begann, etwas für die Unterstützung der Kriegsanstrengungen zu tun. Lord Beaverbrook (ein gebürtiger Kanadier), Direktor des War Office Cinematographic Committee in England, sorgte dafür, daß Griffith im April 1917 nach England kommen konnte; die französische Regierung gestattete ihm, nach Frankreich einzureisen, angeblich um die Front zu besuchen, und anfangs hoffte Griffith, etwas Dokumentarisches über den Krieg zeigen zu können. Aber, wie Merritt nachweist, im Lauf des Besuches wurde viel Material gedreht, das nie im Film gezeigt wurde. Trotz aller versprochenen wahrheitsgetreuen, brutalen Szenen vom Grabenkrieg endete es damit, daß der Film >Hearts of the World< eine ganze Reihe von Kriegsszenen verwendete, die gegen Ende des Krieges in Kalifornien gedreht oder von Frank Kleinschmidt, der tatsächlich an der Front in Frankreich gewesen war, abgekauft wurden.


6 Den besten Überblick über die Kampagne zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten gibt Donald Smythe mit: Venereal Disease. The AEF’s Experience. In: Prologue 9, 1977, S. 65-74. Der erfolgreiche Einsatz des Films für dieses Thema hilft beim Verständnis des breiten Einsatzes solcher Lehrfilme für amerikanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg.

Anmerkungen

Art und Umfang der Übernahmen sind trotz inhaltlicher und zum Teil wörtlicher Übereinstimmung nicht kennzeichnet.

Zwischendurch mal ein Satz der einen ganzen Abschnitt des Originals zusammenfasst - dieser wurde nicht in die Zeilenzählung aufgenommen. Ansonsten ist die Nähe zum in einer einzigen Fußnote referenzierten Original frappierend.

In der Fußnote 258 wird nicht auf Culbert verwiesen.

Sichter
(Graf Isolan), Hindemith



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